Geschrieben von Andreas Tschurilow
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Über Papier
Es ist bemerkenswert, dass Publius Ovidius Naso, modern kurz Ovid (* 20. März 43 v. Chr. in Sulmo; † wohl 17 n. Chr.in Tomis) in seinen "Klagelieder» (Tristia), und nicht nur dort, immer wieder das Papier erwähnt.
nec te purpureo uelent uaccinia fuco—
non est conueniens luctibus ille color—
nec titulus minio, nec cedro charta notetur,
candida nec nigra cornua fronte geras.
Leider fand ich keine deutsche Übersetzung davon, deswegen müssen wir uns mit den englischen Varianten begnügen.
You shall have no cover dyed with the juice of purple berries - no fit colour is that for mourning; your title shall not be tinged with vermilion nor your paper with oil of cedar; and you shall wear no white bosses upon your dark edges.
(Arthur Leslie Wheeler, Ovid Tristia Ex Ponto, William Heinemann Ltd., 1939)
Oder alternative:
Neither let the hyacinths veil you in purplish pretence – (That color does not become our sorrow) - Nor let your title be written in red-lead, Nor your paper distinguished by the cedar's wood. No, my little book, nor let yourself bear white spine and black binding.
- by Michael Dinan
www.forumromanum.org/literature/tristia1.html
Es fallen einige Ungereimtheiten auf, vor allem in der Zeile wo Ovid über das Papier und seiner seltsamen Zusammenhang mit der Zeder schreibt.. Natürlich sind die Übersetzer aus der allgemein anerkannten Darstellung eines antiken Buches wie zum Beispiel Friedrich Lübker in seinem "Reallexikon des klassischen Altertums" angibt ausgegangen.
Der Einband war hergestellt, daß die an einer Seite durch Leimen zusammengefügten Blätter (paginae) an einem hohlen Cylinder aus Holz, Knochen od. Elfenbein befestigt wurden. Durch diesen Cylinder ging ein drehbarer Stab, der unten und oben je einen dicken Knopf hatte (cornua, umbilici.vgl. Hor. epod. 14,8.), sowohl zur Befestigung des Stabes als auch zur Schonung des Buches, welches beim Lesen auf denselben ruhte und beim Umschlagen der Blätter sich nicht auf dem Tische abschabte. Die 3 andern Seiten (frontes) hatten einen schwarzen Schnitt. Hinten am obern Ende der Rolle war, wie bei unsern Büchern, auf einem aufgeklebten Streifen Papier der Titel (titulus, index) des Buches mit röthlicher Schrift bemerkt. Hatte man es genug gebraucht, so wurde es zum Schutze gegen Staub oder sonstige Beschädigung in eine Umhüllung von roth oder geib gefärbtem Pergament (sittybis, Cic.ad Att. 4, 5.) eingeschlagen. Werthvolle Bücher rieb man überdieß mit Cedernöl ein, um sie gegen Würmer und Motten zu schützen, oder legte sie in Kästchen von Cedernholz. Hor. a. p. 332. — Nur die eine Seite des Papiers oder des Pergaments war beschrieben, und die andere zur deutlicheren Hervorhebung der Schrift mit Farbe, namentlich Saffran, überzogen.
(Friedrich Lübker, Reallexikon des classischen Alterthums für Gymnasien, Leipzig, 1855)
Es wird angenommen, dass in den Zeiten des Ovids, ein römisches Buch eine Schriftrolle gewesen ist. Die Enden des Stabes "umbilicus" (Bosse, Buttons) hießen "cornua" Hörner. Aber vielleicht meinte Ovid ein gewöhnliches Buch mit Deckel und Seiten, mit vergoldeten oder geschwärzten Kanten?
Bis ins 7. Jahrhundert als irische Mönche zwischen den Wörtern Leerzeichen (spatium), um Wörter und Sätze zu trennen, eingeführt haben, war es ziemlich schwierig Bücher zu kopieren. Aber bis zum 12. Jahrhundert waren Wortzwischenräume in Texten ehe selten zu treffen. Daher ist es möglich, dass dank der Sorgfalt der schlecht ausgebildeten Mönchen die unter Kerzenlicht antike "böhmische Dörfer" verewigten, dem Text von Ovid einigen Änderungen unterzogen haben. Zumindest kann es die Zeichensetzung, die erst im 15. Jahrhundert von Aldo Manuzzi (comma) erfunden worden, sowie die Zeilenumbrüche in Sätzen betreffen.
Wenn man den Vierzeiler aus solchem Sicht betrachtet, steht uns nichts im Wege, den als eine Beschreibung des lilafarbigen Einbandes mit Großbuchstaben, gemahlt mit Zinnober auf einem weißen (candida), voll geschriebenen (notetur) Zederpapier (cedro charta), in einem dunklen Deckenband aus Kornelkirsche (nigra cornua fronte geras) zu interpretieren.
Cornel ist das härteste (härter als Akazie) Massivholz in Europa. Davon stammt sein Vergleich mit dem Horn. Bis vor kurzem wurden Buchdecken aus Holz, oft mit Leder überzogen, hergestellt. Aber gibt es "Zederpapier?" Ja, es existiert! Um Zigarren zu aromatisieren und Schimmelbildung zu verhindern, werden sie in Kasten aus spanischem Zedernholz (wirkt antibakteriell) gelagert. Kubanische Zigarren wurden zusätzlich noch ins "Zederpapier" eingewickelt. Es ist also möglich, dass in der Antike durch Zugabe von Sägemehl aus Zeder während Papierherstellung wurde eine konservierende Wirkung erzielt. Das Papier wurde länger haltbar als sonst.
Und Ovid schreibt weiter:
nee fragili geminae poliantur purnice frontes,
hirsutus sparsis ut videare cornis.
Let no brittle pumice polish your two edges ;
I would have you appear with locks all rough and disordered.
Ich glaube nicht, dass eine solche Abrasive-Verfahren Papyrus in der Lage ist zu überstehen. Das Papier - schon.
Ovid schreibt an mehreren Stellen über das Papier und höchstwahrscheinlich auf dem Papier:
Me miserum! Vereorque locum uereorque potentem,
et quatitur trepido littera nostra metu.
Aspicis exsangui chartam pallere colore?
Aspicis alternos intremuisse pedes?
Wretched me ! I fear the spot, I fear the man of
power, my script wavers with shuddering dread.
See you my paper pale with bloodless colour ? Sec
you each alternate foot tremble ?
(Arthur Leslie Wheeler, Ovid Tristia Ex Ponto, William Heinemann Ltd., 1939)
Ist Ovid ein Autor der Renaissance?
© 2007-2013 Andreas Tschurilow